Gewaltfreie Kommunikation

In Zeiten internationaler Krisen und regelmäßiger Schreckensnachrichten von Überfällen, familiärer Gewalt und anderen Beispielen gewaltvoller Konflikte, wird der Ruf nach gewaltfreien Lösungen, nach gewaltfreier Kommunikation lauter. Gewaltfreie Kommunikation ist aber nicht nur Thema internationaler und nationaler Politik, sondern fängt im Kleinen an. Sobald zwei Menschen aufeinander treffen, eine Art von Beziehung entsteht, findet Kommunikation statt – und dementsprechend entfaltet sich auch das Potential von Konflikten. Dabei findet sich in jedem Menschen neben einem grundlegenden Streben, eigene Bedürfnisse zu befriedigen, auch das Bedürfnis nach Harmonie und einem friedlichen Zusammenleben. Das Konzept der gewaltfreien Kommunikation gründet auf diesem Bedürfnis und möchte einen Kommunikations- und Lebensstil fördern, der auf Einfühlungsvermögen und Wertschätzung basiert.

Gewaltfreie Kommunikation als Lebenshaltung

Die gewaltfreie Kommunikation als Konzept wurde von Dr. Marshall Rosenberg entwickelt und bezeichnet einen einfühlsamen Kommunikationsstil, der nicht nur die Bedürfnisse einzelner, sondern die Bedürfnisse aller im Blick behält. Im Mittelpunkt steht dabei eine Veränderung der Kommunikation in Form von veränderter Sprache und verändertem Zuhören. Die gewaltfreie Kommunikation ist jedoch nicht lediglich ein sprachliches Konzept, sondern verändert mit der Sprache auch die Lebenshaltung, indem durch eine wertschätzendere Kommunikation die innere Haltung gegenüber sich selbst und anderen transformiert werden kann.

Ziel der gewaltfreien Kommunikation ist nicht, einen anderen Menschen zu anderem Handeln zu bewegen, sondern langfristig durch Empathie ein vertrauensvolles Miteinander und friedliche Konfliktlösungen zu ermöglichen.

Die vier Pfeiler gewaltfreier Kommunikation

Das Erlernen gewaltfreier Kommunikation basiert auf vier Grundschritten: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte. Die Beobachtung beschreibt das wert- und interpretationsfreie Beschreiben einer Handlung oder Unterlassung. Diese Beobachtung löst wiederum ein Gefühl aus, ein Gefühl das mit Bedürfnissen in Verbindung steht.

Bedürfnisse sind individuell und subjektiv, aber dennoch ein allgemeines Gefühl, das in jedem Menschen präsent ist. Menschen können das Bedürfnis nach Verständnis, Akzeptanz, Freiraum, Sicherheit, Kontakt und vielem mehr haben. Sind ein oder mehrere Bedürfnisse nicht erfüllt, löst dies Gefühle aus. Gefühle können also als Indikator für unerfüllte Bedürfnisse interpretiert werden. Wenn die Interpretation eines Gefühls zum Erkennen des eigenen Bedürfnisses geführt hat, kann in einem vierten Schritt eine Bitte formuliert werden.

Die Bitte verlangt eine konkrete Handlung und sollte daher positiv formuliert werden, da dies die Chance auf Erfolg steigert. Mit diesen vier Schritten können eigene Handlungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten interpretiert und formuliert werden – durch einfühlsames Zuhören können diese vier Schritte außerdem in Kommunikationsprozessen mit anderen herausgefiltert werden. Was zunächst nach abstrakter Theorie klingt, lässt sich auch im Alltag konkret und erfolgsversprechend anwenden.

Gewaltfreie Kommunikation im Alltag

Das Konzept der gewaltfreien Kommunikation ist ein Konzept, das zu mehr Verständnis und Respekt und zu einem friedvollen Miteinander führen soll. Dafür ist es notwendig, eigene Verhaltensmuster zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern. Eine ständige Unzufriedenheit und konfliktgeladene Beziehungen können auch dadurch zustande kommen, dass man nicht gelernt hat Bitten zu formulieren und die Schuld immer bei seinem Gegenüber sucht. Wenn man sich selbst besser kennenlernt, die eigenen Bedürfnisse erkennt und versteht, kann man diese Bedürfnisse einfordern ohne seinen Partner, seine Verwandten oder Freunde unter Druck zu setzen, beziehungsweise zu manipulieren.

Wenn das Verhalten des Anderen Wut oder Trauer auslöst, sollte man sich zunächst fragen, warum dieses Verhalten einen so wütend macht. Schnell wird man so merken, dass der Andere einen weder mit Absicht verletzten wollte, noch prinzipiell etwas falsch gemacht hat, sondern dass die Handlung des Anderen eigenen Bedürfnissen widersprochen hat. Kommt der Partner oder Kollege zum Beispiel immer zu spät, dann macht dies einen wütend, weil man großen Wert auf Pünktlichkeit legt oder aber sich durch die Unpünktlichkeit des Anderen nicht respektiert fühlt. Eine offene und ehrliche Bitte an den Anderen, doch bitte pünktlich zu kommen, da man selbst sehr viel Wert auf diese Tugend legt, führt dann schneller zum Erfolg als der allgemeine Vorwurf „Du bist schon wieder zu spät“.

Bevor man anderen einen Vorwurf macht, sollte man einen Blick zu sich selbst wagen – beobachten, fühlen, das Bedürfnis herausfinden – und dann eine positiv formulierte Bitte wagen, die mit den eigenen Bedürfnissen und Wünschen begründet wird. Auch wenn das Gegenüber diese Bitte nicht unbedingt erfüllen muss, ist so der Weg zu einer gewaltfreien Kommunikation geebnet.

Bitten richtig formulieren

Wenn man die eigenen Gefühle interpretiert hat und die dahinter stehenden Bedürfnisse kennt, ist es dennoch nicht immer leicht, die daraus resultierende Bitte zu formulieren. Sprachliche Missverständnisse sind oft die Quelle von Konflikten, genauso gut kann Sprache jedoch auch einen Konflikt entschärfen. Wer Bitten positiv und klar formuliert, läuft weniger Gefahr von seinem Gegenüber enttäuscht zu werden. Dafür ist es wichtig, klar zu sagen, was man von seinem Gegenüber verlangt. Wichtiger als zu sagen was man nicht möchte ist es zu sagen, was man möchte – am besten so konkret wie möglich.

Wie der Name schon sagt, geht es außerdem darum, jemanden um etwas zu bitten – nicht darum, ihm Vorschriften zu machen. Formulierungen wie „Kannst du bitte…“ und „Ich möchte…“ fruchten daher mehr als Befehle. Zusätzlich sollte man bei all seinen Äußerungen versuchen, so konkret wie möglich zu formulieren – schließlich kann das Gegenüber keine Gedanken lesen.

Mit den vier Schritten der gewaltfreien Kommunikation und einer angemessenen Formulierung der eigenen Bedürfnisse ist so ein friedlicheres und für beide Parteien angenehmes Miteinander ohne gewaltvolle Auseinandersetzungen möglich.

Bild: © Petr Vaclavek – Fotolia.com

1 Kommentar

  1. Ich finde das Konzept der gewaltfreien Kommunikation wirklich gut, aber gerade in einer Partnerschaft kommt es doch häufig vor dass man anstatt zu bitten seinen Emotionen frei Lauf lässt und dann ist es wirklich schwierig zu erkennen, was das eigene Bedürfnis dahinter ist und auch der Partner versteht dies nicht immer. Wie schafft man es also, wenn man sich unverstanden fühlt in der Partnerschaft dem Partner zu vermitteln was man von ihm möchte, ohne dabei wütend zu werden?

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