Verbitterungsstörung

Die Verbitterungsstörung ist auch unter der Bezeichnung Posttraumatische Verbitterungsstörung bekannt und beschreibt eine Anpassungsstörung, bei der die Betroffenen große Schwierigkeiten haben, negative Erlebnisse wie Misserfolge oder Kränkungen zu verarbeiten.

Die Verbitterungsstörung steht in einem engen Zusammenhang zur Posttraumatischen Belastungsstörung und geht sehr oft mit Depressionen einher bzw. hat solche zur Folge. Bei der Verbitterungsstörung handelt es sich um eine ernste psychische Krankheit, welche für die Betroffenen sehr viel Leid und eine große Belastung bedeutet.

Was ist eine Verbitterungsstörung?

Die Posttraumatische Verbitterungsstörung (abgekürzt PTED vom englischen Posttraumatic Embitterment Disorder) zählt zu den sogenannten Anpassungsstörungen. Die Verbitterungsstörung ist als anerkannte psychische Erkrankung noch relativ neu und wurde erstmalig im Jahr 2003 durch den deutschen Neurologen und Psychiater Michael Linden definiert.

Menschen, die unter einer Verbitterungsstörung leiden, haben meist eine – in ihrem Empfinden – außergewöhnliche und nur schwer zu bewältigende Belastung erlebt. Dies kann Mobbing am Arbeitsplatz oder der Verlust desselben ebenso sein wie schwerwiegende Konflikte in der Partnerschaft bis hin zu einer schmerzhaften Trennung. Allen Betroffenen gleich ist die Tatsache, dass sie das belastende Erlebnis als persönliche Kränkung, Demütigung oder Ungerechtigkeit empfinden. Dies hat zur Folge, dass sie sich sowohl gegenüber sich selbst als auch in Interaktion mit anderen Menschen dauerhaft verbittert bis aggressiv verhalten.

Ganz klar unterschieden werden muss zwischen Verbitterung und Verbitterungsstörung. Genau so wie ein gelegentliches Gefühl von Traurigkeit noch keine Depression und ein ab und zu auftretendes Gefühl der Angst noch keine Angststörung ist, so ist nicht jede Verbitterung gleich eine psychische Krankheit. Verbitterung an sich ist zunächst einmal eine ganz normale und sogar gesunde Emotion. So wie Angst an sich eine natürliche Reaktion auf Gefahr ist, die uns Kraft zur Flucht oder zum Kampf gibt, ist die Verbitterung eine natürliche Reaktion auf Kränkungen, Demütigungen, Enttäuschungen oder Vertrauensmissbrauch.

Kritisch wird es allerdings, wenn das Gefühl der Verbitterung die Tendenz entwickelt, sich dauerhaft in unserer Gefühlswelt festzusetzen. Dies kann so weit gehen, dass das Verbitterungsgefühl sich auf alle Lebensbereiche des Betroffenen erstreckt und dieser es nicht mehr schafft, seine negativen Emotionen selbständig zu verarbeiten. In diesem Fall spricht man von einer psychischen Erkrankung – der Verbitterungsstörung. Halten die Symptome der Störung mehr als sechs Monate an, spricht man von einer Posttraumatischen Verbitterungsstörung.

Welche Ursachen hat eine Verbitterungsstörung?

Ebenso wie eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) tritt auch eine Verbitterungsstörung als Folge von als ungerecht oder kränkend empfundenen Erlebnissen auf. In vielen Fällen ist der Auslöser für die Störung eine tiefe persönliche Kränkung. Das bedeutet, dass Betroffene sich von anderen ungerecht behandelt, missverstanden oder auch gedemütigt bzw. bloßgestellt fühlen. Auch ein tatsächlicher oder nur vermuteter schwerer Vertrauensmissbrauch kann zu einer krankhaften Verbitterung führen. Gleichzeitig fühlen Betroffene sich außerstande, sich gegen die Ungerechtigkeit zur Wehr zu setzen – die Folgen sind erst Hilflosigkeit, dann Resignation und am Ende Verbitterung.

Nach Auffassung von Michael Linden, einem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychosomatische Medizin, können sogar Psychiater und Psychologen zur Entwicklung einer Verbitterungsstörung beitragen. Grund dafür ist, dass diese Störung als psychische Erkrankung noch zu wenig bekannt und anerkannt ist, viele Mediziner das eigentliche Problem nicht erkennen und stattdessen eine Depression oder Aggression diagnostizieren und behandeln.

Von einer Posttraumatischen Verbitterungsstörung können sowohl Männer als auch Frauen gleichermaßen betroffen sein. Auch können sowohl jüngere als auch ältere Menschen unter der Störung leiden. Fast alle Betroffene haben jedoch eines gemeinsam: Sie verfügen über ein äußerst schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl.

Welche Symptome zeigen sich bei einer Verbitterungsstörung?

Neben dem andauernden Gefühl der Verbitterung zeigen sich bei dieser Erkrankung noch verschiedene weitere emotionale und psychische Symptome. Dazu gehören beispielsweise Aggressionen gegen sich selbst oder gegen andere Menschen. Nicht umsonst bezeichnen manche Psychologen die Depression auch als „Aggression gegen sich selbst“. Folgende Symptome kann eine Verbitterungsstörung mit sich bringen:

  • permanent niedergedrückte Stimmung
  • Antriebslosigkeit
  • Aggressionen gegen sich selbst und andere
  • ständig wiederkehrende quälende und schmerzhafte Erinnerungen
  • unkontrollierte Weinkrämpfe
  • reduzierte Fähigkeiten, den Anforderungen des Alltags nachzukommen

In vielen Fällen sind Anzeichen einer starken Verbitterung auch Rachephantasien, verbunden mit dem Gefühl, den „Schuldigen“ zu bestrafen, es „denen zu zeigen“ und so die „Gerechtigkeit“ wiederherzustellen. Ebenso gibt es Fälle, in denen Betroffene Tötungs- und Selbsttötungsgedanken entwickeln oder von einem erweiterten Suizid phantasieren. Glücklicherweise bleibt es meistens bei den Phantasien und Gedanken, allerdings gab es auch bereits Fälle, in denen es tatsächlich zu Gewalttaten bis hin zu Suizid oder Tötungsdelikten als Folge einer Verbitterung gekommen ist.

Wie erfolgen Diagnose, Verlauf und Behandlung einer Verbitterungsstörung?

Für die Diagnose einer Posttraumatischen Verbitterungsstörung müssen verschiedene Kriterien zutreffen. In der Regel ist dem Patienten das belastende Erlebnis, das er als Auslöser für die Verbitterung sieht, bekannt. Er fühlt sich durch dieses Erlebnis zutiefst gedemütigt, beleidigt und gekränkt. Erinnert sich der Betroffene an das auslösende Erlebnis, reagiert er mit emotionaler Erregung, meist in der Form von Wut, Verbitterung und Hilflosigkeit.

Ein weiteres Kriterium ist die Dauer der Beschwerden. Für die Diagnose „Posttraumatische Verbitterungsstörung“ müssen diese bereits mindestens seit sechs Monaten bestehen und den Betroffenen sehr stark in seinem Alltag einschränken. Wichtig für die richtige Diagnose ist auch ein möglicher Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen, wie z.B. der PTBS oder Depressionen.

Da es sich um eine relativ neue psychische Erkrankung handelt, gibt es zum genauen Verlauf einer Verbitterungsstörung noch keine gesicherten Erkenntnisse.

Behandelt wird die Störung vor allem mit den gängigen Verfahren der modernen Verhaltens- und Psychotherapie. Besonders hervorzuheben ist hierbei die von Michael Linden begründete sogenannte Weisheitstherapie als eine Sonderform der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT).

Kann man einer Posttraumatischen Verbitterungsstörung vorbeugen?

Da von einer Verbitterungsstörung fast immer Menschen betroffen sind, die an einem schwachen Selbstwertgefühl leiden, kann der Erkrankung in der Tat vorgebeugt werden, indem das Selbstbewusstsein gestärkt wird. Folgende Maßnahmen haben sich hierbei als sehr wirkungsvoll erwiesen:

  • Negative Gedanken und Gefühle nicht zulassen.
  • Selbstakzeptanz – also daran arbeiten, sich so zu akzeptieren und zu lieben, wie man ist.
  • Etwas Neues lernen, woran man Freude hat, z.B. ein Musikinstrument oder eine neue Sprache.
  • Dem eigenen Leben einen Sinn geben.
  • Viel Sport treiben.
  • Ausreichend schlafen.
  • Bewusst und häufig lächeln und lachen.

Auch das Erlernen von bestimmten Entspannungstechniken, wie Yoga, Meditation, Autogenes Training oder Qi Gong kann sich positiv auf das Selbstwertgefühl auswirken und damit einer Verbitterungsstörung – wie auch anderen psychischen Erkrankungen – entgegenwirken.

Fazit

Eine posttraumatische Verbitterungsstörung geht fast immer auf ein belastendes Ereignis zurück, das Gefühle wie Hilflosigkeit, Aggression, Wut, Enttäuschung und Erniedrigung hervorruft. Diese Störung ist mittlerweile als psychische Erkrankung anerkannt und betrifft sämtliche Lebensbereiche. Schätzungsweise leiden zwei bis drei Prozent der Menschen hierzulande an einer Verbitterungsstörung. Mit Hilfe eines geschulten Psychologen und einer gezielten Therapie, stehen die Chancen auf eine Heilung der Krankheit sehr gut.