Wertschätzung: sich selbst und andere anerkennen

Grundsätzlich bezeichnet Wertschätzung die positive Bewertung eines anderen Menschen, und zwar weitestgehend unabhängig von seinem Verhalten. Diese positive Grundeinstellung gegenüber anderen kann auch allgemein als Respekt bezeichnet werden. Wertschätzung eines Menschen bedeutet, den ihm innewohnenden Wert anzuerkennen und zu respektieren. Es ist dabei davon auszugehen, dass jeder Mensch in seinem individuellen Menschsein wertvoll ist und daher Respekt und Wertschätzung verdient. Dies setzt auch immer eine gewisse Bedingungslosigkeit voraus. Nun ist eine grundlegende und bedingungslose Anerkennung eines anderen Menschen nicht immer einfach.

Viele Personen haben Schwierigkeiten andere Menschen wertzuschätzen oder ihre Wertschätzung zu zeigen. Diese Schwierigkeit liegt oft darin begründet, dass viele Menschen nicht gelernt haben sich selbst wertzuschätzen. Selbstachtung und ein stabiles Selbstwertgefühl ist oftmals die Voraussetzung dafür auch einen anderen Menschen so akzeptieren zu können wie er ist und ihn dafür zu respektieren. Die Wertschätzung eines Menschen und auch sich selbst ist aber keine angeborene Tugend, sondern kann durchaus erlernt oder verbessert werden. Personen, die Schwierigkeiten haben anderen Menschen bedingungslosen Respekt zu zollen, sollten versuchen zunächst ihre Selbstwertschätzung zu verbessern.

Selbstwertschätzung – sich selbst als wertvoll erachten

Ein stabiler Selbstwert zeichnet sich durch eine gesunde Wertschätzung der eigenen Persönlichkeit aus. Der Selbstwert sollte dabei nicht von den Extremen Narzissmus oder Selbstverachtung geprägt sein. Ein positiver Selbstwert ist die grundlegende Gewissheit, dass man wertvoll ist, unabhängig vom eigenen Verhalten und persönlichen Fehlern. Menschen mit mangelndem Selbstwertgefühl sehen ihren Selbstwert oft an Taten gebunden, das heißt sie empfinden sich nur dann als wertvoll, wenn sie erfolgreich sind oder Lob und Anerkennung von anderen erhalten. Der Grund für das mangelnde Selbstwertgefühl liegt oft schon in der frühen Kindheit begraben. Ein Mensch kann aus verschiedenen Gründen lernen, sich selbst als wertlos zu erachten oder den eigenen Wert an Taten zu knüpfen.

Sich als wertvoll zu erachten bedeutet sich mit all seinen Stärken und Schwächen anzunehmen – erst in dieser Bedingungslosigkeit kann man lernen andere Menschen ebenso mit ihren Fehlern anzunehmen. Um sich selbst besser wertzuschätzen, muss man lernen sich objektiv zu beobachten. Menschen mit geringem Selbstwertgefühl konzentrieren sich auf ihre Schwächen und bagatellisieren ihre Stärken. Auf dem Weg zur Selbstwertschätzung sollten Stärken herausgestellt und gelobt, Schwächen aber auch nicht ignoriert, sondern konstruktiv genutzt werden. Dabei können die eigenen Stärken und Schwächen auch auf einem Blatt Papier gegenüber gestellt werden um sie sich vor Augen zu führen. Auch die Verstärkung eines Hobbys kann helfen, den eigenen Selbstwert zu verbessern. Menschen, die gelernt haben sich selbst mit allen Stärken und Schwächen anzunehmen, können schließlich auch lernen dasselbe für andere zu tun.

Wertschätzung eines Menschen durch Kommunikation ausdrücken

Einem Menschen Wertschätzung entgegen zu bringen bedeutet ihm vorurteilsfrei und respektvoll zu begegnen. Auch die Stärke Menschen ihre Fehler zu verzeihen und ihre Stärken gesondert anzuerkennen ist eine Form der Wertschätzung. Andere Menschen wertzuschätzen erweist sich im Alltag immer wieder als notwendig. Beruflich wie privat wird eine positive Stimmung durch einen wertschätzenden Umgang miteinander erzeugt. Jeder Mensch, ob Freund oder Fremder, hat grundsätzlich Anerkennung und Respekt verdient, auch dann, wenn er einen Fehler begeht. Auf dieser Basis kann auch Kritik geübt und ein Streit geführt werden, ohne dass eine Situation eskaliert.

Um einem Freund, einem Verwandten, einem Kollegen oder Untergebenen Wertschätzung zu zeigen, sollte man ihm also immer auf gleicher Ebene begegnen. Auch dann, wenn die Hierarchien klar geordnet sind, zum Beispiel zwischen Chef und Angestellten oder Eltern und Kind, sollte man sich nicht über die andere Person stellen, sondern durch Einfühlungsvermögen und höfliche Umgangsformen Respekt zeigen. Schon die Körpersprache zeigt einem Menschen, ob er wertgeschätzt wird. Ein Lächeln, ein Händedruck und Blickkontakt signalisieren Interesse und Sympathie. Der Verzicht auf Körperkontakt oder ausweichende Blicke geben dem Gegenüber dagegen das Gefühl, nicht wichtig zu sein. Auch ein aufrichtiges Lob, das nicht an eine Bitte oder Forderung geknüpft ist, vermittelt ernst gemeinte Anerkennung. Freunden und Verwandten kann man Wertschätzung außerdem in Form von besonderer Aufmerksamkeit durch Geschenke, tröstende Worte, Glückwünsche und auch durch die direkte Bekundung der Wertschätzung entgegen bringen.

Ein wertschätzender Umgang mit anderen Menschen macht sich bezahlt, denn die Freundlichkeit und Anerkennung, mit der man andere behandelt, wird oft genug zurück gegeben. Wer andere mit Respekt behandelt wird in den meisten Fällen ebenfalls mit Respekt behandelt. Die Wertschätzung eines anderen Menschen hat also wiederum eine Rückwirkung auf die eigene Persönlichkeit – und damit auch den eigenen Selbstwert.

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8 Kommentare

  1. Für mich liegt die Krux schon im ersten Satz: „(…)Wertschätzung die positive Bewertung eines anderen Menschen(…)“. Ganz im Gegenteil bin ich der Meinung, dass niemand bewertet werden sollte. Sobald Wertung im positiven Sinn entsteht, findet diese auch im negativen Sinn statt.

    Es würde mir besser gefallen, wäre die Grundhaltung nicht eine Wertschätzung sondern eine „liebevolle Akzeptanz“ des Gegenübers: Unabhängig davon was er tut und was er ist. Ich bin der Meinung, wir sprechen vom Gleichen und gerade deswegen will ich „Wertung“ grundsätzlich vermeiden.

    Deshalb möchte ich auch „Selbstwertgefühl“ vermeiden, weil es wieder einen Wert enthält, der schnell einmal über den Wert eines anderen gestellt werden kann. Selbstachtung, das ja. Selbstbewusstsein weil wir unserem Selbst bewusst sind. Letzteres macht mich allein dafür verantwortlich wie ich mich fühle, unabhängig davon, ob mein Gegenüber mich wert-schätzt., mich lobt oder mir respektvoll gegenüber tritt. Den was bleibt, wenn all das nicht geschieht? Nur meine eigene selbstbewusste Haltung mir gegenüber aber ohne „Bedürfnis“ nach Lob oder Wertschätzung.

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    • Hallo Herr Schmäh!

      Vielen Dank für diesen inspirierenden (schon wieder wertend) Beitrag! Prinzipiell gebe ich Ihnen Recht, wenn Sie Wertschätzung mit liebevoller Akzeptanz der eigenen Person und der Umwelt gegenüber gleichsetzen. Doch glaube ich auch, dass eine Beurteilung oder Bewertung bei klassischen Kognitionen nicht vermieden werden kann. Denn (logisches) Denken basiert nun mal auf Urteilen und ist ohne dieser Vorgehensweise erst gar nicht möglich. Ein mentaler Inhalt muss immer auf ein Objekt gerichtet sein, also Intentionalität besitzen, um Bedeutung zu erhalten. Und etwas Bedeutung zuzuschreiben ist bereits eine Art von Urteil, da andere mögliche Bedeutungen damit ausgeschlossen werden.

      Diese wertfreie Akzeptanz von der Sie sprechen, muss also auf der Basis eines bestimmten Zustandes entstehen. Ich denke, ein gutes Beispiel wäre hier der Zustand der Meditation, in dem wir unserer Innenwelt bedingungslos gegenüberstehen beziehungsweise unser Ichkonstrukt gelockert oder sogar losgelassen haben.

      Doch vielleicht haben Sie andere Vorschläge und praktische Tipps, diese liebevolle Akzeptanz in den Alltag zu integrieren. Über weitere Impulse würde ich mich sehr freuen.

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      • Ich denke, es geht um den kleinen, aber feinen Unterschied zwischen „beurteilen“ und „verurteilen“ – wobei eine Verurteilung auch positiv ausfallen kann, so wie ich sie meine.

        Logisches Denken basiert sicherlich auf Kategorisierungen und Beurteilungen, ob das Gegenüber eine (Lebens-)Gefahr, ein Neutrum oder einen freundlich gesinnten/ungefährlichen Menschen darstellt. Das ist der sog. „erste Eindruck“, der sich bekanntlich nur schwer rehabilitieren lässt, weil Menschen unbewusst auf bereits erlernte Motive und Muster zurückgreifen, um andere einzuschätzen.

        Ein hoher Selbstwert erleichtert einem allerdings dabei, dass man das Risiko, das von anderen ausgeht, aus der aktuellen Perspektive realistisch einschätzen kann, und nicht auf Verhaltensmuster von früher zurückgreift, als man bestimmten Typen vielleicht noch unterlegen war.

        Denn Unterlegenheit ändert sich im Laufe der Zeit! Man lernt dazu, neue Strategien, Abgrenzungsvermögen, Sozialkompetenzen/Soft Skills, hat seine Erfolge, wenn man keine Erfolge hat, muss man sich mal überlegen, woran das liegt (bei einem selbst) oder andere fragen, wie die einen wahrnehmen (die Diskrepanz ist oft erstaunlich!). Und dann fühlt man sich auch nicht mehr so schnell unterlegen… 😉

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  2. Ich finde den Satz Wertschätzung ist eine positive Bewertung dem gegenüber vollkommen in Ordnung…auch wenn dann die Möglichkeit des negativen besteht. In dem Wort Wertschätzung ist schließlich das Wort Wert enthalten und Wert drückt für mich keinerlei negatives aus, von daher kann man Wertschätzung meiner Meinung sehr wohl so definieren. Außerdem ist es zwar schön von Wertefreiheit oder besser gesagt Bewertungsfreiheit zu träumen, aber dass ist doch utopisch jeder Mensch bewertet sein Gegenüber innerhalb der ersten paar Sekunden, und dass müssen wir auch tun, schließlich kann man nicht jedem Kontakt aufnehmen und ihn näher kennen lernen. Die Bewertung ist nur menschlich und hilft dabei, zu selektieren.

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  3. Vielen Dank für den Artikel!
    Aufgrund meiner Beobachtungen teile ich die Meinung, dass viele nicht gelernt haben, sich selbst wert zu schätzen. Leider, denn das hat verheerende Auswirkungen auf das eigene Leben und auf die Gesellschaft. Als Mutter habe ich es mir deshalb zum Ziel gesetzt, meinen Sohn unbedingt dabei zu unterstützen, sich selbst zu akzeptieren und wert zu schätzen.
    Selbstwert ermöglicht Selbstsicherheit. Der Glaube an sich, an die eigenen Fähigkeiten und an eine selbstbestimmte Zukunft ist wiederum sicherlich einer der wichtigsten Faktoren für psychische Gesundheit.
    Von daher: Bringt den Kindern bei, sich selbst wert zu schätzen! Und schickt die Erwachsenen in die Nachhilfe:)

    LG
    Jessica

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  4. Hey ich denke für viele Personen die bereits mit den negativen Werten vertraut sind, ist es eventuell einfacher als erstes vermehrt auf das Positive zu hören. Danach können diese Personen auch das Negative heraus hören und das was dem Werten weniger Wert gibt.
    Schritt für Schritt!

    Gruss aus Buenos Aires
    D

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  5. Warum wird Respekt mit Wertschätzung verbunden betrachtet?

    Ist Respekt nicht viel mehr, wenn nicht einzig und allein, dazu geeignet, Kommunikationswege zu sabotieren und zu blockieren? Ist Respekt nicht die Ausrede von Ängstlichen, um ein Regularium zu finden, um sich die empfindliche Konfrontation mit der Wahrheit zu sparen? Und um ihre fragwürdige Macht-Position zu untermauern? Jemand, der geachtet ist und mit sich selbst im Reinen, braucht keinen Respekt. Es scheinen nur die Leute Respekt zu brauchen, die sich selbst nicht den entsprechenden Wert erschaffen oder zu hohe Ansprüche stellen. So dient Respekt doch im Wesentlichen, eine Achtung für etwas Unachtvolles hervorzurufen.

    Meiner Meinung nach fehlt im sinnvollen Umgang miteinander im Wesentlichen die Authentizität – die Leute spielen sich alle irgendwas vor und leben an ihren Bedürfnissen vorbei. Sie suchen irgendwelche Umschweife, um an ihr Ziel zu gelangen, nur um dem ungeschriebenen Verlangen nach Respekt gerecht zu werden. Die Welt könnte doch so viel einfacher sein!

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  6. Ihr seid gut 🙂 Spannend das alles von euch zu lesen.

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